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11.12.2017

Neu: Gesetz zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten

Welche Bestimmungen zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen wurden durch das Gesetz zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten geändert?

Welche Regelungen zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen sollte meine Vorsorgevollmacht enthalten?

 
Nach bislang geltendem Recht, konnte eine ärztliche Zwangsmaßnahme gegen den natürlichen Willen einer Person (Zwangsbehandlung) ausschließlich im Rahmen einer freiheitsentziehenden Unterbringung erfolgen.

Die bisherige zwingende gesetzliche Verknüpfung der ärztlichen Zwangsmaßnahme mit der freiheitsentziehenden Unterbringung hatte zur Folge, dass Betreute, die sich der Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder hierzu körperlich nicht in der Lage sind, nicht gegen ihren natürlichen Willen behandelt werden können.

Um diese Schutzlücke zu beheben, hat der Gesetzgeber jetzt die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme von der freiheitsentziehenden Unterbringung abgekoppelt.

Ärztliche Zwangsmaßnahmen werden seit dem 22.07.2017 an das Erfordernis eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus, in dem die gebotene medizinische Versorgung des Betreuten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist, gebunden. Auf Grund des Ultima-ratio-Gebots sollen ambulant durchgeführte ärztliche Zwangsbehandlungen auch weiterhin ausgeschlossen bleiben. Die strengen materiell- und verfahrensrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen bleiben im Übrigen erhalten. In materieller Hinsicht gilt:
  • Die ärztliche Zwangsmaßnahme muss zum Wohl des Betreuten notwendig sein, um einen drohenden erheblichen Gesundheitsschaden abzuwenden.
  • Die auf einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung beruhende Unfähigkeit des Betreuten, die Notwendigkeit der Maßnahme zu erkennen bzw. nach dieser Einsicht handeln zu können.
  • Die Zwangsmaßnahme muss dem nach § 1901a BGB zu beachtenden Willen entsprechen.
  • Vor der Maßnahme muss ohne Ausübung unzulässigen Drucks ein ernsthafter und mit dem nötigen Zeitaufwand verbundener Versuch unternommen werden, den Betreuten von der Notwendigkeit der Behandlung zu überzeugen.
  • Der drohende gesundheitliche Schaden kann durch keine andere, den Betreuten weniger belastende Maßnahme abgewendet werden.
  • Der zu erwartende Nutzen muss die zu erwartende Beeinträchtigung deutlich überwiegen.
  • Die Maßnahme muss im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes durchgeführt werden und das Krankenhaus muss die gebotene medizinische Versorgung (einschließlich Nachbetreuung) sicherstellen können

Was heißt das für bestehende Vorsorgevollmachten?

Bestehende Vorsorgevollmachten sollten daraufhin überprüft werden, ob sie die Einwilligung in ärztliche Zwangsmaßnahmen überhaupt enthalten und ob die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme auch den formellen und materiellen Voraussetzungen entspricht. (Vorsorgevollmachten, die vor dem 18.02.2013 erteilt und nicht entsprechend ergänzt wurden, enthalten die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme regelmäßig nicht, da das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme erst am 18.02.2013 in Kraft getreten ist.)

Damit der von Ihnen Bevollmächtigte überhaupt in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder in eine ärztliche Zwangsmaßnahme mit freiheitsentziehender Unterbringung und/oder freiheitsentziehender Maßnahme einwilligen kann, muss seine Bevollmächtigung schriftlich  erteilt sein und die Einwilligung in diese Maßnahmen ausdrücklich umfassen (§§ 1906 Abs. 5, 1906a Abs. 5 BGB).

Vorsorgevollmachten, die den Bevollmächtigten in persönlichen Angelegenheiten nur pauschal zur Vertretung bevollmächtigen, ohne den Bevollmächtigten zugleich auch schriftlich zur Einwilligung in ärztliche Zwangsmaßnahmen zu bevollmächtigen und ohne diese Maßnahmen zugleich im einzelnen ausdrücklich zu benennen, reichen hierfür nicht mehr aus. Das heißt: trotz erteilter Vorsorgevollmacht und ggf. getroffener Betreuungsverfügung muss in den Fällen ärztlicher Zwangsmaßnahmen ein gesetzlicher Betreuer bestellt werden, wenn Ihre Vorsorgevollmacht den neuen formellen und materiellen Voraussetzungen nicht genügt.

Insbesondere um Ihre Vorsorgevollmacht den aktuellen Gesetzen anzupassen und im Einzelfall ggf. die Bestellung eines Betreuers zu vermeiden, empfiehlt es sich, Ihre Vorsorgevollmacht bei einem Notar oder Notarin rechtlich überprüfen zu lassen und Ihre Vorsorgevollmacht der aktuellen Gesetzeslage entsprechend zu ergänzen.

Stand: November 2017


Hinweis:
Auch im Bereich der Patientenverfügung hat der BGH in den Jahren 2016 und 2017 neue Anforderungen an die Rechtswirksamkeit von Patientenverfügungen und ihre materiellen Inhalte gestellt.

Sollten Sie neben Ihrer Vorsorgevollmacht auch eine Patientenverfügung errichtet haben, beachten Sie bitte auch Artikel 9 dieser Website.


Alexandra Günther-Kock
Rechtsanwältin und Notarin

Ostertorwall 16A
31785 Hameln

Tel. 0 51 51 / 2 22 35 und
Tel. 0 51 51 / 98 18 68-0
Fax 0 51 51 / 98 18 68-8
e-mail: info@kanzlei-guenther-kock.de
KANZLEI A. GÜNTHER-KOCK
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